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Theaterinszenierungen von Jo Fabian
Jo Fabian Department Theater Archiv
Das Guericke-Labyrinth von Jo Fabian
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THEATER FÜR DIE SINNE

Diese Inszenierung ist nicht nur ein Ereignis, sondern vor allem ein Erlebnis. Sie speist sich aus einer enorm dichten Atmosphäre. Sie gibt Rätsel auf und wirft Happen hin, die beim Kauen immer neue Geschmäcker hervorbringen. Und sie packt zu. Durch das unheimlich deutliche und filigrane Spiel der Darsteller muss man vor sinnlicher Faszination fast keuchen.

(Joungspeech, Daniel Jakubowski)


Die Langsamkeit als Herausforderung

Mit der Premiere des "Guericke-Labyrinths" von Jo Fabian am Sonnabend im Schauspielhaus hat der Autor sein Ziel erreicht. Der übergroße Teil der Zuschauer spendete begeistert Beifall, ein kleinerer schüttelte verständnislos den Kopf, einige wenige gingen vor Schluss der Vorstellung. Aber niemanden ließ das Bühnengeschehen kalt.
Mageburg l Jo Fabians Inszenierungen polarisieren. Sie sind keine leichte Kost, keine Einbahnstraße von der Bühne in die Ränge, sondern zwingen die Zuschauer zur Auseinandersetzung. Das ist anstrengend, aber wenn man sich darauf einlässt, auch höchst lustvoll. Sprache, Text, Tanz, Musik, Licht, Choreografie, Raum und Video - der Künstler setzt alle Stilmittel ein, sehr subtil, manchmal sogar sparsam. Er arbeitet mit vielen kleinen Details, die aber allesamt zu einer großen Aussage beitragen.

Und die ist im "Guericke-Labyrinth" außerordentlich vielschichtig. Fabian ist kein Unterhaltungskünstler, sondern anstrengender Philosoph. Er provoziert, schockiert, irritiert und fasziniert so, dass einem der Theatersessel nicht zu bequem wird.
Otto von Guericke als Person und Stoff ist dafür bestens geeignet. Da ist die Fähigkeit des Magdeburger Politikers und Gelehrten, das Nichtdenkbare, die Leere in ihrer Wechselwirkung zur Natur zu erfassen. Im beginnenden 17. Jahrhundert ist die Gegenständlichkeit, das Sehen und Fühlen für naturwissenschaftliche Erkenntnisse Voraussetzung. Und in einer solchen Zeit begreift Guericke durch Beobachtung intuitiv, dass ungeheure Entfernungen zwischen den Sternen bestehen müssen, die ihn ob ihrer "Unermesslichkeit erschauern lassen". Das Nichts zu denken und aus der Existenz der Leere Erkenntnisse zu gewinnen, das ist sein visionärer Geist. Da trifft der Physiker den Philosophen.
Die Inszenierung verknüpft mit eigenwilligen, fast monotonen Bildern Guerickes Forscherdrang, den Dreißigjährigen Krieg mit seinen Leiden und mehr als 20 000 Toten allein in Magdeburg und das Labyrinth. Dieses ist ein komplexes System verzweigter Wege, die alle zum Ziel führen, aber niemals direkt. Gerade ist vor dem Magdeburger Dom ein solches Labyrinth entstanden. Das mag ein Zufall sein, aber als Symbol der Renaissance steht es für beständige Bewegung.



Fotos: Nilz Böhme
Die überträgt Jo Fabian auf sein Stück, in dem Luise Audersch, Heide Kalisch, Michaela Winterstein, Jeremias Koschorz, Andreas Guglielmetti, Silvio Hildebrandt, Peter Wittig sowie die beiden Jungen Brian und Kevin Smith unentwegt und ohne Dialoge ihren Weg ziehen. Sie machen das im Zeitlupentempo, denn Labyrinthe sind auch Mittel der Entschleunigung. Diese Langsamkeit wirkt dramaturgisch auf die Zuschauer fast quälend und ist für die Schauspieler eine hervorragend gemeisterte Herausforderung.
In einer Zeit, wo alles immer schneller, immer direkter abläuft, setzt der Autor, Regisseur und Bildende Künstler bewusst einen Kontrapunkt. Er zwingt zur Auseinandersetzung, wo ansonsten durch schnelle Bild- oder Handlungsfolgen die Verdrängung Platz hat.
Jo Fabian jagt durch die Jahrtausende, verknüpft biblische Geschichte mit Wissenschaft des Mittelalters und der Neuzeit. "An dem Nichts, spricht Hiob, hängt die Erde", heißt es im Buch Hiob, hier setzt Otto von Guericke unmittelbar an. Der Weg im Labyrinth zwingt mitunter auch zur Umkehr. Doch Umkehr heißt nicht automatisch Rückschritt, sondern manchmal auch Neubeginn auf einem nun richtigen Weg. Das Glück der Tiere, symbolisiert durch eine Horde Affen mit Geweihen, ist in dem Stück ein solcher Rückzugspunkt, von dem aus die Entwicklung der Menschheit nochmal ganz neu beginnen müsste.
Wer sich auf den Weg in das Theaterlabyrinth von Jo Fabian wagt, erhält eine Unzahl neuer Denkpunkte. Und wer Freude am Denken hat, sollte das nicht versäumen.

Rolf-Dietmar Schmidt (Volksstimme)
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