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Theaterinszenierungen von Jo Fabian
Jo Fabian Department Theater Archiv
Independent Swan. eine wahnvorstellung
Fotos Presse Video
Grandioses Gleichnis auf Manipulation
Jo Fabians Rundumschlag „Independent Swan“ hypnotisiert in der HALLE

Welch grandioses Bühnenbild! Die Szene der HALLE voller weißer Quadrate, auf vier knien in hoch geschlossenen Langmänteln Krüppel, die sich an Stöcken in grünem Nebel mühsam aufrecht halten. Vorn stehen Gestelle mit schwarzen und roten Wimpeln, balsamisch brabbelt eine Stimme vom Band. Unendlich langsam richten sich die Gestalten auf, im Mantelspalt werden weiße Kniestrümpfe und Springerstiefel sichtbar, alle tragen Sonnenbrillen, lauter Fabians. So beginnt Jo Fabian seine neue Produktion „Independent Swan. eine WahnVorstellung“, steigert sie rasch zu verwirrender Schönheit. In der Tiefe thronen drei Trommler, weißes Hemd, Schlips, Kniebundhose, Springerstiefel, auf weißen Podesten; dahinter glühen vor schwarzen und roten Stoffbahnen eine Sonne aus Stäben und ein Holzgerüst auf. An den vier Ecken der Szene glimmen Feuerschalen. Nur der Goldton der deutschen Flagge ist dieser schwarzweißroten Komposition abhanden gekommen. Doch an Wohlgefühl ist Fabian in seiner Hintergründigkeit nicht gelegen. Denn kaum stehen seine Medien auf, eint sie, jeder freilich isoliert auf eigenem Quadrat, hin und her wogender Seitschritt: Er wird knapp 70 Minuten lang die bündelnde Bewegung bleiben, ein zunächst durch Zählen, dann von Trommeldröhnen eingepeitschter Marschtritt. So wie sich der Rhythmus bisweilen differenziert, schleichen sich in den Tritt heimtückisch Gesten und Variationen ein, Salutieren, Fäuste, Armführungen, niedliche Folkloreaufhüpfer. Selbst wenn die Trommeln verstummen, fährt diese Militärmaschinerie in fast gewalttätigem Eigenlauf fort, Anklang an Hitlerjugend oder Neonazis.
„We for free“ versteht man von dem, was einer der Akteure mit prophetisch erhobenem Finger in ein hängendes Mikrofon spricht, der Rest wird zertrommelt. Der andere Akteur scheint Weihwasser aus dem Feuerbecken schöpfen zu wollen und rötet sich damit die Stirn. Blutig sind alle Rituale, die den Menschen vereinnahmen. „Wenn ich ein Vöglein wär“, volkstümelt es, die Männer tanzen Schuhplattler. Einer erwacht, schreit in Hitlermanier, er komme hier nicht raus, die Firma sei verbrecherisch, der Vertrag ein Fehler. Als er den Chef imitiert, redet der bayrisch. Blutiges Papier halten die Frauen da in Händen, der Grundtritt bringt alle wieder auf Linie. So funktioniert Manipulation: Der Trance des durchratternden Rhythmus kann man sich kaum entziehen. Auch Soprane lässt Fabian, Meister der perfiden Montage, erklingen, „Guten Abend, gute Nacht“ von der Spieluhr tönen, einmal gar ein Agnus Dei einspielen, alles Ablenkmanöver vom Seelenfang jener Sekte. Tennisbälle erzeugen raffiniert Gegenrhythmen, färben sich dabei von den Händen rot; aggressiv breitbeinig und gespenstisch starr stehen die Akteure lange wie Schergen auf den schon eingebluteten Quadraten, bis sie wieder mechanisch in den Tritt verfallen. Im Video dreht sich ein virtueller Jesus am Kreuz, wie man ihn aus Fabian-Stücken kennt. Megaphon und Posaune finden Einsatz, ehe die Wimpel Winkelemente werden und den „Sterbenden Schwan“, Reminiszenz an ein berühmtes Ballett-Solo, erstechen. Federn rieseln da vom Plafond. Der einigende Tritt rechtfertigt auch diesen symbolischen Mord, im Video tanzen Kinder friedlich Reigen, alle sieben Spieler knien still auf den Quadraten. Mit diesem Bild trügerischen Friedens endet Fabian eine seiner besten, radikalsten Arbeiten.

Bildgewaltig: Neues Tanzstück von Jo Fabian im Mousonturm Frankfurt

Er war schon länger nicht mehr in Frankfurt, doch jetzt meldet er sich mit der Premiere von
»Independent Swan. Eine WahnVorstellung« mit voller Kraft zurück. Bildgewaltig nennt man
ein solches Bühnenspektakel wohl, ästhetisch bis ins Detail durchkomponiert und zugleich
gesellschaftskritische Analyse.
Martialische Bewegungen: Szene aus »Independent Swan«. (Foto: Department)
Schönheit und Katastrophe liegen verdammt nah beieinander in diesem Lebensbericht aus Deutschland.
Erzählt wird von militärischem Drill und Gehorsam, vom Bestreben Einzelner auszusteigen und dagegen
zu halten. Dominierend ist jedoch der Sog, der von der Gleichförmigkeit einer Massenbewegung
ausgeht, in die sich Einzelne - ohne groß nachdenken zu müssen - einreihen können.
Jo Fabian ist Berliner, aufgewachsen in der DDR. Mit seinen ersten Stücken zog er widerständiges
Publikum an, aber auch die Aufmerksamkeit der Stasi. Nach dem Mauerfall stand er vor dem
»Schwachsinnsmüllhaufen von Avantgarde der ganzen Welt«, wie er in einem Interview sagt, und
musste seinen eigenen Weg finden. Der bestand zunächst in der Entschleunigung, in Stücken mit
minimalistischen Bewegungsabläufen. Dann beschäftigte er sich eine Zeit lang mit dem Internet. Dann
konzentriert er sich - neben dem Musik machen und Stücke schreiben - wieder auf die Bühne, erarbeitet
mit der Gruppe Department ein »Theater der bewegten Architektur«, so seine eigene Bezeichnung. Wie
gewohnt ist es eine Mischung aus Tanz, Theater und Bildender Kunst. Jo Fabian ist zuständig für den
gesamten kreativen Teil: von Regie über Licht und Video bis zur Programmierung.
Auf einem Podest am Bühnenhintergrund stehen drei Trommler im Outfit einer straff geführten
Jugendorganisation. Die vier Darsteller vorne haben dasselbe Kostüm, tragen jedoch ein Gutteil der
70-minütigen Aufführung darüber einen strengen schwarzen Mantel mit roter Armbinde. Dazu kommt
bei allen die dunkle Sonnenbrille, die wie ein Symbol einheitlicher Gesinnung wirkt.
Das Bühnenbild ist so einfach wie tiefgründig und grandios: Auf dem Boden liegen weiße Platten in Form
eines gleichschenkligen Kreuzes, auf diesen bewegen sich die Darsteller (Kerstin Rünzel, Peter Vande-
meulebroecke, Annegret Thiemann, Matthias Horn) in gleichförmigen Hin-und-Her-Tritt. An der Rück-
wand ist ein gleich großes Kreuz aus Bambusstangen gebildet, was je nach Beleuchtung deutlicher her-
vorkommt oder wieder verschwindet. Einmal wird es zum Christenkreuz, dann wird es zum militärischen
Verdienstorden, und irgendwie assoziiert man die Swastika, das Hakenkreuz, auch immer mit.
Alles wird bestimmt von dem Farb-Dreiklang Schwarz-Weiß-Rot, inklusive roter Farbe, in die Hände
und Fahnen getaucht werden. Doch nicht nur Militär wird assoziiert, sondern ebenso Kirche, je
nachdem wie Gewänder, Bewegung und Musik durch Licht in Szene gesetzt werden. Eines wird in
diesem Stück deutlich: Symbole und Ästhetik sind nie eineindeutig, sondern von ihrem Umfeld
bestimmt. Daher fühlt man sich mehr als einmal unsicher über die Bedeutung des Gesehenen, die
Grenzen verschwimmen.
Die Geräuschkulisse variiert extrem: vom sanften Hintergrundgeräusch über reine Trommelrhythmik
bis zu »Böhse Onkelz« ähnlichen Metal-Schrei-Songs. Erhabene Choräle und nette Kinderlieder
werden brutal unterbrochen, akustisch geradezu niedergemacht. Selten gab es ein Stück, das sein
Publikum so häufig erschreckt auffahren ließ. Der Trick: Über die ständige Wiederholung immer
gleicher, relativ einfacher Bewegungsmuster lässt die Aufmerksamkeit nach, man driftet ab. Und
dann kommt ein heftiger Trommelschlag mit krassem Lichtwechsel und alle schauen wieder hin.
Giessener Allgemeine Zeitung, Kultur, Dagmar Klein, 17.10.2010.

Schon das Bühnenbild versetzt den Zuschauer in sakrale Stimmungen, Jo Fabian hat die Halle in eine Kirche verwandelt, neben Altar und Weihwasserbecken prangt auf dem Boden in weißen Quadraten auf schwarzem Grund ein Kreuz, Nebel steigt auf, sakral anmutende Musik erklingt. Doch das Personal der Zeremonie, die nun stattfindet, trägt schwere Stiefel und schwarze Mäntel mit roter Armbinde. Paukenschläge folgen, schwere Rhythmen, die dem „Gottesdienst“ etwas unweigerlich Militärisches verleihen. Die Darsteller marschieren, verrenken sich, variieren den Hitlergruß, skandieren ein martialisches „Links, zwo, drei, vier“.
Die faschistische, an Leni Riefenstahl mahnende Ästhetik von Jo Fabians Installation, einer Mischung aus Tanz und groteskem Theater, wirkt bedrohlich, wie ein Schlag ins Gesicht. Unheimlich, wie sich das Religiöse fließend ins Autoritäre und Monumentale verwandelt. Hier entsteht kein Kontrast, sondern eine Relation, wenn nicht eine Bedingung des einen für das andere. Aber Jo Fabian spielt mit der faschistischen Ästhetik, um sie gleichzeitig mit ironischen Brechungen zu untergraben und zu hinterfragen. Aus Kirche wird Kirche des Grauens, ein Stück mit hammerharten Tableaux und Formationen, das vermutlich stark polarisieren wird

zitty, online, Bühne, Tobias Schwartz, 14.12.2009.

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